Kick it like Prinz - Schwule und Lesben im Fußball
Im Zusammenhang mit dem Selbstmord von Robert Enke ist viel von Enttabuisierung die Rede, auch das Thema Homosexualität im Fußball wird gestreift. Dieses Blog wird in diesen Tagen wieder häufig gegoogelt mit den Begriffen "Arne Friedrich schwul". Vermutlich dauert es nicht mehr lange, bis sich ein schwuler Kicker outet, mutmaßlich allerdings erst nach Beendigung der Karriere, zu groß wäre der Druck, zu heftig wären die Schmähungen vor allem bei Auswärtsspielen.
Die Bademeisterin, die - ein Outing! - gar keine echte Bademeisterin ist, hat im September 2003 in der Lespress einen Artikel zum Thema Lesben im Fußball geschrieben, den ich hier noch mal veröffentliche.
Kick it like Prinz
Frauenfußball ist die beliebteste Sportart von Lesben. Sie spielen in allen Ligen, von der Kreisklasse bis zur Bundesliga. Im konservativen Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist Homosexualität ein Tabu und wird damit erst zum Thema. Frauenfußball war lange Zeit sogar verboten, heute ist der DFB stolz auf seine erfolgreichen Kickerinnen, die bei der Weltmeisterschaft in den USA ab 20. September zu den Favoritinnen zählen.
Es ist erst wenige Wochen her, als im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison Turbine Potsdam den Tabellenführer 1. FFC Frankfurt empfing. Mit einem Sieg hätte Potsdam den Frankfurterinnen noch die Meisterschaft abjagen können. Knapp 8000 Zuschauer verfolgten das Spiel - sonst kicken die Bundesligaspielerinnen häufig nur vor 200 bis 300 Gästen -, die dritten Programme aus Hessen und Brandenburg übertrugen erstmals eine Partie der Frauenfußball-Bundesliga live im Fernsehen. Es war ein spannendes, kampfbetontes Spiel, das 0:0 endete, und Frankfurt wurde deutscher Meister. Die mitgereisten Zuschauer aus Frankfurt feierten ihre Stars, viele, Männer wie Frauen, trugen FFC-Trikots mit Namen wie Lingor oder Künzer. So schmücken sich sonst Bayern-Fans mit Ballack oder Kahn auf dem Hemd. Die Partie und das Ambiente waren großartige Werbung für den Frauenfußball.
Keine Sportart beschäftigt die sportinteressierte Öffentlichkeit hierzulande so sehr wie Fußball - Männerfußball. Spätestens mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 wurde Fußball zum Identifikationsobjekt. Was tun mit den vereinzelt kickenden Frauen? fragte sich der DFB 1955 und verbot Frauenfußball. Eine Maßnahme zum Schutz der Frauen: "Damals sind irgendwelche Manager durch die Lande gezogen, die mit brüstewackelnden Frauen Geld verdient haben. So etwas haben wir abgelehnt" zitiert Autorin Beate Fechtig den DFB-Mitarbeiter Horst Schmidt in ihrem Buch "Frauen und Fußball".
Erst 1970 änderte der DFB seine Haltung, denn immer mehr Teams fanden sich, zahlreiche Vereine wollten Frauenfußballabteilungen einrichten. Der DFB hob das Verbot auf, wiederum zum Schutz der Kickerinnen, der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger sah die Gefahr gebannt, dass Frauenfußball in die Niederungen unseriöser Veranstalter rutsche wie "Damencatchen im Schlamm". Aktuell bewahrt der DFB 850 000 Frauen vor matschigem Kräftemessen.
Ein spektakulärer Volleyschuss sorgte im September 1974 für Aufsehen: Bärbel Wohlleben vom TuS Wörrstadt drosch im ersten offiziellen Endspiel um die Frauenfußball-Meisterschaft den Ball aus 25 Metern in die Maschen des DJK Eintracht Gelsenkirchen-Erle und gewann als erste Frau die beliebte Wahl zum "Tor des Monats" in der ARD-Sportschau.
Es gab anfangs eigene Regeln für den, wie es damals offizielle Sprachregelung war, Damenfußball, die sich schnell als unpraktikabel oder schlicht unsinnig herausstellten und zurückgezogen wurden, etwa das Verbot von Stollenschuhen, das Spielen mit Jugendfußbällen oder die Beschränkung der Saison auf die Monate März bis Oktober. Zunächst spielten die Teams die Meisterschaft in Turnierform aus. Erst 1985 führte der DFB Regional- und Oberligen ein, die Spielerinnen wurden so mehr gefordert, und der Abonnementsmeister SSG 09 Bergisch Gladbach bekam Konkurrenz vor allem durch den TSV Siegen, FSV Frankfurt und KBC Duisburg.
Fünf EM-Titel, Vizeweltmeister 1995 und Olympiabronze 2000 - dabei begann die Geschichte des Nationalteams erst 1982, als es sein allererstes Spiel gegen die Schweiz gleich mit 5:1 gewann. Als Coach am Spielfeldrand stand Gero Bisanz, der das Amt beinahe widerwillig angetreten hatte, weil er lieber mit Männern arbeiten wollte. Sein "Pech" war, dass die Frauen den designierten Bundestrainer ablehnten, nämlich Berti Vogts. Anfangs noch litt Bisanz unter der mangelnden Einstellung mancher Akteurin: "Eine der ersten Spielerbesprechungen - und was passiert? Plötzlich sehe ich, wie eine Spielerin die Beine übereinander schlägt, in die Tasche greift und sich eine Zigarette anzündet." Doch mit Einführung professionellerer Strukturen verbesserte sich das Leistungsniveau stetig.
Die erste internationale Trophäe gewann das Team mit der Europameisterschaft 1989 im eigenen Land. Im Finale vor 22 000 Zuschauern in Osnabrück gewannen die Deutschen gegen Norwegen 4:1, das Fernsehen übertrug live. Der DFB, mächtig stolz auf seine Kickerinnen, ließ sich nicht lumpen: Als Prämie gab es, da im Amateursport kein Geld fließen darf, je ein Kaffeeservice. Als nach 1991 das Team abermals 1995 den kontinentalen Titel gewann und sich als Prämie endlich die passenden Löffel zum Kaffeeservice wünschte, fand das der DFB gar nicht lustig.
Bei diesen Titeln wie auch schon bei der Länderspielpremiere 1982 mit von der Partie war Silvia Neid. Seit 1996 ist sie Assistentin von Bundestrainerin Tina Theune-Meyer, die als allererste Frau 1987 die Trainerlizenz erwarb. Silvia Neid ist das bekannteste Gesicht im deutschen Frauenfußball, mit großer Spielintelligenz gesegnet und überaus erfolgreich. Neben zahlreichen nationalen Titeln mit dem TSV Siegen gewann sie dreimal die Europameisterschaft, so oft wie kein männlicher Kicker. Sie ist - als Spielerin wie als Trainerin - eine eloquente und sympathische Werbeträgerin für den Fußball, geht keinem Fan mit Autogrammwunsch und keinem Journalisten aus dem Weg. Indes, Vergleiche mit männlichen Stars lehnt sie ab: "Ich bin kein Matthäus, dazu fehlen an meinem Körper die entscheidenden fünf Gramm."
Männerfußball und Frauenfußball sind nicht zu vergleichen, sondern zwei grundverschiedene Sportarten. Anouschka Bernhard, frühere Nationalspielerin, Europameisterin 1995 und mehrfach deutsche Meisterin und Pokalsiegerin mit dem FSV Frankfurt, später Trainerin des FSV, hat Unterschiede schon in der Jugend beobachtet: "Mädchen gehen auf den Platz, jonglieren den Ball im Mittelkreis und plaudern nebenher, Jungs ballern gleich aufs Tor. Jungs sind zielorientierter." Heute arbeitet Anouschka Bernhard beim (Männer-)Bundesligisten Hertha BSC Berlin als Jugend-Koordinatorin und ist verantwortlich für die 6- bis 14-Jährigen. Vorbehalte besorgter Eltern, dass da eine Frau verantwortlich für den männlichen Nachwuchs ist, pflegt sie mit einem punktgenauen 40-Meter-Pass in den Lauf eines Juniorenspielers zu zerstreuen.
Ein Saisonhöhepunkt ist alljährlich das Pokalfinale im Berliner Olympiastadion. Die Frauen spielen vor dem Männerfinale, was zuweilen zu kuriosen Situationen führt: "Du schießt in der 75. Minute das 2:1, und die paar hundert Fans deines Teams jubeln kaum hörbar. Drei Minuten später grätschst du einen Ball ins Aus, und 40 000 Zuschauer applaudieren begeistert. Komisch, so spektakulär war die Aktion nicht. Dann kriegst du mit, dass die Fans sich so freuen, weil die Jungs aus dem Männerfinale in Badeschlappen in den Innenraum gekommen sind und ihnen zuwinken", erzählt Anouschka Bernhard.
Auch Siegfried Dietrich, Manager der 1. FFC Frankfurt, hebt den Unterschied hervor: "Frauenfußball ist eine eigenständige Sportart, und es ist der Sache nicht förderlich, wenn sie als Anhängsel verkauft wird. Wir müssen eine eigene Marke schaffen. Und eigene Aushängeschilder." Der FFC ist derzeit der stärkste und professionellste Klub in der Bundesliga. Auch auf europäischer Bühne spielt der FFC, gewann 2002 den erstmals ausgespielten UEFA-Cup und scheiterte vergangene Saison im Halbfinale erst im Elfmeterschießen. Knapp 30 Unternehmen - vom Trikotsponsor bis zum Salbenpartner - unterstützen den Verein. Durch Promotion, vor allem aber durch sportlichen Erfolg zieht der Verein mehr Zuschauer als jeder andere Bundesligist, insgesamt 50 000 sahen in der Saison 2001/02 die Heimspiele in Meisterschaft, Pokal und UEFA-Cup. Aushängeschilder des FFC sind Spielmacherin Renate Lingor, die mit genialen Pässen und raffinierten Freistößen glänzt, und Kapitänin Nia Künzer, die nach drei Kreuzbandrissen wieder das Spiel von hinten aufzieht.
Birgit Prinz, die derzeit beste deutsche Fußballerin, spielte für den FFC. Bereits mit 15 kickte sie in der Bundesliga, damals noch beim Lokalrivalen FSV, mit 16 gab sie ihr Länderspieldebüt. 2002 wurde die Stürmerin Zweite bei der Wahl zur Weltfußballerin des Jahres hinter US-Star Mia Hamm. Mit dem Glamourgirl - es gibt sogar eine Mia-Hamm-Barbie-Puppe - spielt Prinz nun in einer Liga: Die 25-Jährige wechselte 2002 zu Carolina Courage und schoss das Team vom letzten Tabellenplatz zum US-Titel. In den USA ist Fußball Frauensport und Profisport. Und seit die US-Kickerinnen 1999 die WM gewannen, äußerst populär. 5000 bis 10 000 Zuschauer besuchen dort die Partien. Mehrere 10 000 Dollar können die Spielerinnen pro Saison verdienen, acht Deutsche stehen derzeit in den USA unter Vertrag. In der Bundesliga fließen allenfalls Summen auf Fritz-Walter-Niveau.
"Der Frauenfußball ist ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft, sofern sie sich mit dem Sport identifiziert. Er hat seinen Platz ehrenhaft und überzeugend erkämpft", schreibt der DFB auf seiner Homepage. Manchmal aber agiert der DFB wenig ehrenhaft und wenig überzeugend: 1995 kam es zu einem Eklat. Frankfurt richtete die Euro Games aus, und einige Nationalspielerinnen überlegten, beim Badminton-Turnier mitzuspielen. Der DFB reagierte mit einer internen Direktive: Wer an den Euro Games teilnimmt, fliegt aus dem Kader. Und das kurz vor der WM und ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Atlanta. Es war nicht allein die Chefetage des DFB, die um das Sauberfrauen-Image seiner Elf bangte, auch "die eine oder andere Führungsspielerin fürchtete um ihren Ruf", sagt Anouschka Bernhard, "dabei gab es im Kader gar keine heterosexuelle Spielerin." Die Frankfurter Rundschau berichtete über die Direktive, und so hatte der DFB ein Eigentor geschossen: Denn deutlicher konnte niemand rausposaunen, dass das Team um Silvia Neid und Doris Fitschen geschlossen bei den Euro Games hätte auflaufen können.
Zum Karriereende von Martina Voss hat der Spiegel jüngst eine drei Jahre alte Geschichte aufgewärmt: Es krachte heftig zwischen Voss, damals Kapitänin der Nationalelf, und Stürmerin Inka Grings, ebenfalls Nationalspielerin und Teamkollegin in Duisburg. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden liiert waren. Voss erzählte Theune-Meyer eine Notlüge und verließ fluchtartig das Hotel, wo sich gerade das Nationalteam aufhielt. Abends kehrte sie zurück und zog Theune-Meyer ins Vertrauen. Laut Voss reagierte Theune-Meyer erst verständnisvoll, schmiss sie aber am nächsten Tag aus dem Team, Begründung: Bauchentscheidung. Voss wurde nie wieder zur Nationalmannschaft eingeladen.
Damals betonte Voss, dass das Thema Homosexualität nichts mit ihrem Rauswurf zu tun haben könne. Klingt plausibel, schließlich schätzte Theune-Meyer schon 1980 in ihrer Diplomarbeit "Einstellungen, Eigenschaften, sportliches Engagement im Damenfußball", dass 20 bis 40 Prozent aller Fußballerinnen lesbisch seien. Weniger von der Bauchentscheidung als vor allem von der Reaktion ihrer Mitspielerinnen war Voss enttäuscht, verspürte sogar Hass - die nämlich schwiegen: "Die Mannschaft war feige. Die wollten alle zu den Olympischen Spielen. Keine wollte ihren Platz riskieren."
Anouschka Bernhard beklagt, dass sich viele Spielerinnen gar nicht mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzen. "Die lesbische Community ist eine große Familie, in der man sehr sicher ist. Einige bewegen sich darin, reflektieren aber nicht, dass gesellschaftlich etwas dahintersteckt." Keinesfalls will Bernhard den DFB an den Pranger stellen: "Der DFB muss nicht offensiv sein, was Homosexualität im Fußball angeht. Reicht es nicht, wenn er sich nicht negativ äußert? Schließlich ist es nur ein Dachverband, der auch nichts dazu sagt, wenn Nationaltorwart Oliver Kahn seine hochschwangere Frau betrügt. Der DFB hat keine moralische Verantwortung, ,Ja zur Homoehe!' ist nicht seine Aufgabe." Und Bernhard fordert: "Es sind die Spielerinnen, die ein eigenes Profil gewinnen müssen!"
Sonja Beckmann
Die Bademeisterin, die - ein Outing! - gar keine echte Bademeisterin ist, hat im September 2003 in der Lespress einen Artikel zum Thema Lesben im Fußball geschrieben, den ich hier noch mal veröffentliche.
Kick it like Prinz
Frauenfußball ist die beliebteste Sportart von Lesben. Sie spielen in allen Ligen, von der Kreisklasse bis zur Bundesliga. Im konservativen Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist Homosexualität ein Tabu und wird damit erst zum Thema. Frauenfußball war lange Zeit sogar verboten, heute ist der DFB stolz auf seine erfolgreichen Kickerinnen, die bei der Weltmeisterschaft in den USA ab 20. September zu den Favoritinnen zählen.
Es ist erst wenige Wochen her, als im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison Turbine Potsdam den Tabellenführer 1. FFC Frankfurt empfing. Mit einem Sieg hätte Potsdam den Frankfurterinnen noch die Meisterschaft abjagen können. Knapp 8000 Zuschauer verfolgten das Spiel - sonst kicken die Bundesligaspielerinnen häufig nur vor 200 bis 300 Gästen -, die dritten Programme aus Hessen und Brandenburg übertrugen erstmals eine Partie der Frauenfußball-Bundesliga live im Fernsehen. Es war ein spannendes, kampfbetontes Spiel, das 0:0 endete, und Frankfurt wurde deutscher Meister. Die mitgereisten Zuschauer aus Frankfurt feierten ihre Stars, viele, Männer wie Frauen, trugen FFC-Trikots mit Namen wie Lingor oder Künzer. So schmücken sich sonst Bayern-Fans mit Ballack oder Kahn auf dem Hemd. Die Partie und das Ambiente waren großartige Werbung für den Frauenfußball.
Keine Sportart beschäftigt die sportinteressierte Öffentlichkeit hierzulande so sehr wie Fußball - Männerfußball. Spätestens mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 wurde Fußball zum Identifikationsobjekt. Was tun mit den vereinzelt kickenden Frauen? fragte sich der DFB 1955 und verbot Frauenfußball. Eine Maßnahme zum Schutz der Frauen: "Damals sind irgendwelche Manager durch die Lande gezogen, die mit brüstewackelnden Frauen Geld verdient haben. So etwas haben wir abgelehnt" zitiert Autorin Beate Fechtig den DFB-Mitarbeiter Horst Schmidt in ihrem Buch "Frauen und Fußball".
Erst 1970 änderte der DFB seine Haltung, denn immer mehr Teams fanden sich, zahlreiche Vereine wollten Frauenfußballabteilungen einrichten. Der DFB hob das Verbot auf, wiederum zum Schutz der Kickerinnen, der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger sah die Gefahr gebannt, dass Frauenfußball in die Niederungen unseriöser Veranstalter rutsche wie "Damencatchen im Schlamm". Aktuell bewahrt der DFB 850 000 Frauen vor matschigem Kräftemessen.
Ein spektakulärer Volleyschuss sorgte im September 1974 für Aufsehen: Bärbel Wohlleben vom TuS Wörrstadt drosch im ersten offiziellen Endspiel um die Frauenfußball-Meisterschaft den Ball aus 25 Metern in die Maschen des DJK Eintracht Gelsenkirchen-Erle und gewann als erste Frau die beliebte Wahl zum "Tor des Monats" in der ARD-Sportschau.
Es gab anfangs eigene Regeln für den, wie es damals offizielle Sprachregelung war, Damenfußball, die sich schnell als unpraktikabel oder schlicht unsinnig herausstellten und zurückgezogen wurden, etwa das Verbot von Stollenschuhen, das Spielen mit Jugendfußbällen oder die Beschränkung der Saison auf die Monate März bis Oktober. Zunächst spielten die Teams die Meisterschaft in Turnierform aus. Erst 1985 führte der DFB Regional- und Oberligen ein, die Spielerinnen wurden so mehr gefordert, und der Abonnementsmeister SSG 09 Bergisch Gladbach bekam Konkurrenz vor allem durch den TSV Siegen, FSV Frankfurt und KBC Duisburg.
Fünf EM-Titel, Vizeweltmeister 1995 und Olympiabronze 2000 - dabei begann die Geschichte des Nationalteams erst 1982, als es sein allererstes Spiel gegen die Schweiz gleich mit 5:1 gewann. Als Coach am Spielfeldrand stand Gero Bisanz, der das Amt beinahe widerwillig angetreten hatte, weil er lieber mit Männern arbeiten wollte. Sein "Pech" war, dass die Frauen den designierten Bundestrainer ablehnten, nämlich Berti Vogts. Anfangs noch litt Bisanz unter der mangelnden Einstellung mancher Akteurin: "Eine der ersten Spielerbesprechungen - und was passiert? Plötzlich sehe ich, wie eine Spielerin die Beine übereinander schlägt, in die Tasche greift und sich eine Zigarette anzündet." Doch mit Einführung professionellerer Strukturen verbesserte sich das Leistungsniveau stetig.
Die erste internationale Trophäe gewann das Team mit der Europameisterschaft 1989 im eigenen Land. Im Finale vor 22 000 Zuschauern in Osnabrück gewannen die Deutschen gegen Norwegen 4:1, das Fernsehen übertrug live. Der DFB, mächtig stolz auf seine Kickerinnen, ließ sich nicht lumpen: Als Prämie gab es, da im Amateursport kein Geld fließen darf, je ein Kaffeeservice. Als nach 1991 das Team abermals 1995 den kontinentalen Titel gewann und sich als Prämie endlich die passenden Löffel zum Kaffeeservice wünschte, fand das der DFB gar nicht lustig.
Bei diesen Titeln wie auch schon bei der Länderspielpremiere 1982 mit von der Partie war Silvia Neid. Seit 1996 ist sie Assistentin von Bundestrainerin Tina Theune-Meyer, die als allererste Frau 1987 die Trainerlizenz erwarb. Silvia Neid ist das bekannteste Gesicht im deutschen Frauenfußball, mit großer Spielintelligenz gesegnet und überaus erfolgreich. Neben zahlreichen nationalen Titeln mit dem TSV Siegen gewann sie dreimal die Europameisterschaft, so oft wie kein männlicher Kicker. Sie ist - als Spielerin wie als Trainerin - eine eloquente und sympathische Werbeträgerin für den Fußball, geht keinem Fan mit Autogrammwunsch und keinem Journalisten aus dem Weg. Indes, Vergleiche mit männlichen Stars lehnt sie ab: "Ich bin kein Matthäus, dazu fehlen an meinem Körper die entscheidenden fünf Gramm."
Männerfußball und Frauenfußball sind nicht zu vergleichen, sondern zwei grundverschiedene Sportarten. Anouschka Bernhard, frühere Nationalspielerin, Europameisterin 1995 und mehrfach deutsche Meisterin und Pokalsiegerin mit dem FSV Frankfurt, später Trainerin des FSV, hat Unterschiede schon in der Jugend beobachtet: "Mädchen gehen auf den Platz, jonglieren den Ball im Mittelkreis und plaudern nebenher, Jungs ballern gleich aufs Tor. Jungs sind zielorientierter." Heute arbeitet Anouschka Bernhard beim (Männer-)Bundesligisten Hertha BSC Berlin als Jugend-Koordinatorin und ist verantwortlich für die 6- bis 14-Jährigen. Vorbehalte besorgter Eltern, dass da eine Frau verantwortlich für den männlichen Nachwuchs ist, pflegt sie mit einem punktgenauen 40-Meter-Pass in den Lauf eines Juniorenspielers zu zerstreuen.
Ein Saisonhöhepunkt ist alljährlich das Pokalfinale im Berliner Olympiastadion. Die Frauen spielen vor dem Männerfinale, was zuweilen zu kuriosen Situationen führt: "Du schießt in der 75. Minute das 2:1, und die paar hundert Fans deines Teams jubeln kaum hörbar. Drei Minuten später grätschst du einen Ball ins Aus, und 40 000 Zuschauer applaudieren begeistert. Komisch, so spektakulär war die Aktion nicht. Dann kriegst du mit, dass die Fans sich so freuen, weil die Jungs aus dem Männerfinale in Badeschlappen in den Innenraum gekommen sind und ihnen zuwinken", erzählt Anouschka Bernhard.
Auch Siegfried Dietrich, Manager der 1. FFC Frankfurt, hebt den Unterschied hervor: "Frauenfußball ist eine eigenständige Sportart, und es ist der Sache nicht förderlich, wenn sie als Anhängsel verkauft wird. Wir müssen eine eigene Marke schaffen. Und eigene Aushängeschilder." Der FFC ist derzeit der stärkste und professionellste Klub in der Bundesliga. Auch auf europäischer Bühne spielt der FFC, gewann 2002 den erstmals ausgespielten UEFA-Cup und scheiterte vergangene Saison im Halbfinale erst im Elfmeterschießen. Knapp 30 Unternehmen - vom Trikotsponsor bis zum Salbenpartner - unterstützen den Verein. Durch Promotion, vor allem aber durch sportlichen Erfolg zieht der Verein mehr Zuschauer als jeder andere Bundesligist, insgesamt 50 000 sahen in der Saison 2001/02 die Heimspiele in Meisterschaft, Pokal und UEFA-Cup. Aushängeschilder des FFC sind Spielmacherin Renate Lingor, die mit genialen Pässen und raffinierten Freistößen glänzt, und Kapitänin Nia Künzer, die nach drei Kreuzbandrissen wieder das Spiel von hinten aufzieht.
Birgit Prinz, die derzeit beste deutsche Fußballerin, spielte für den FFC. Bereits mit 15 kickte sie in der Bundesliga, damals noch beim Lokalrivalen FSV, mit 16 gab sie ihr Länderspieldebüt. 2002 wurde die Stürmerin Zweite bei der Wahl zur Weltfußballerin des Jahres hinter US-Star Mia Hamm. Mit dem Glamourgirl - es gibt sogar eine Mia-Hamm-Barbie-Puppe - spielt Prinz nun in einer Liga: Die 25-Jährige wechselte 2002 zu Carolina Courage und schoss das Team vom letzten Tabellenplatz zum US-Titel. In den USA ist Fußball Frauensport und Profisport. Und seit die US-Kickerinnen 1999 die WM gewannen, äußerst populär. 5000 bis 10 000 Zuschauer besuchen dort die Partien. Mehrere 10 000 Dollar können die Spielerinnen pro Saison verdienen, acht Deutsche stehen derzeit in den USA unter Vertrag. In der Bundesliga fließen allenfalls Summen auf Fritz-Walter-Niveau.
"Der Frauenfußball ist ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft, sofern sie sich mit dem Sport identifiziert. Er hat seinen Platz ehrenhaft und überzeugend erkämpft", schreibt der DFB auf seiner Homepage. Manchmal aber agiert der DFB wenig ehrenhaft und wenig überzeugend: 1995 kam es zu einem Eklat. Frankfurt richtete die Euro Games aus, und einige Nationalspielerinnen überlegten, beim Badminton-Turnier mitzuspielen. Der DFB reagierte mit einer internen Direktive: Wer an den Euro Games teilnimmt, fliegt aus dem Kader. Und das kurz vor der WM und ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Atlanta. Es war nicht allein die Chefetage des DFB, die um das Sauberfrauen-Image seiner Elf bangte, auch "die eine oder andere Führungsspielerin fürchtete um ihren Ruf", sagt Anouschka Bernhard, "dabei gab es im Kader gar keine heterosexuelle Spielerin." Die Frankfurter Rundschau berichtete über die Direktive, und so hatte der DFB ein Eigentor geschossen: Denn deutlicher konnte niemand rausposaunen, dass das Team um Silvia Neid und Doris Fitschen geschlossen bei den Euro Games hätte auflaufen können.
Zum Karriereende von Martina Voss hat der Spiegel jüngst eine drei Jahre alte Geschichte aufgewärmt: Es krachte heftig zwischen Voss, damals Kapitänin der Nationalelf, und Stürmerin Inka Grings, ebenfalls Nationalspielerin und Teamkollegin in Duisburg. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden liiert waren. Voss erzählte Theune-Meyer eine Notlüge und verließ fluchtartig das Hotel, wo sich gerade das Nationalteam aufhielt. Abends kehrte sie zurück und zog Theune-Meyer ins Vertrauen. Laut Voss reagierte Theune-Meyer erst verständnisvoll, schmiss sie aber am nächsten Tag aus dem Team, Begründung: Bauchentscheidung. Voss wurde nie wieder zur Nationalmannschaft eingeladen.
Damals betonte Voss, dass das Thema Homosexualität nichts mit ihrem Rauswurf zu tun haben könne. Klingt plausibel, schließlich schätzte Theune-Meyer schon 1980 in ihrer Diplomarbeit "Einstellungen, Eigenschaften, sportliches Engagement im Damenfußball", dass 20 bis 40 Prozent aller Fußballerinnen lesbisch seien. Weniger von der Bauchentscheidung als vor allem von der Reaktion ihrer Mitspielerinnen war Voss enttäuscht, verspürte sogar Hass - die nämlich schwiegen: "Die Mannschaft war feige. Die wollten alle zu den Olympischen Spielen. Keine wollte ihren Platz riskieren."
Anouschka Bernhard beklagt, dass sich viele Spielerinnen gar nicht mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzen. "Die lesbische Community ist eine große Familie, in der man sehr sicher ist. Einige bewegen sich darin, reflektieren aber nicht, dass gesellschaftlich etwas dahintersteckt." Keinesfalls will Bernhard den DFB an den Pranger stellen: "Der DFB muss nicht offensiv sein, was Homosexualität im Fußball angeht. Reicht es nicht, wenn er sich nicht negativ äußert? Schließlich ist es nur ein Dachverband, der auch nichts dazu sagt, wenn Nationaltorwart Oliver Kahn seine hochschwangere Frau betrügt. Der DFB hat keine moralische Verantwortung, ,Ja zur Homoehe!' ist nicht seine Aufgabe." Und Bernhard fordert: "Es sind die Spielerinnen, die ein eigenes Profil gewinnen müssen!"
Sonja Beckmann
bademeisterin - 16. Nov, 12:19